Der Naturjodel-Blog


Die Muschel am Ohr entspricht der Muschel IM Ohr (Foto: Thierry Bösiger/Imagepoint).

11.7.19 / 6:50

Enharmonie zwischen Berg- und Flachlandmenschen

Das Natur- und Kul(ur)gut Naturharmonik (Akkordgerüst) und Naturmelodik (Solo-Gesänge) gehört Allen und Niemandem. Die Resonanz des sennischen Naturjodelsingens in ganz und gar unsennischen Stadtmenschen ist kine Modeerscheinung. und es findet auch kein Missbrauch des überlieferten Kulgurgutes statt, wenn in Berlin Zäuerli gesungen werden.

Was zunehmend als beglückende und verwundernde Erfahrung (Naturetimmenfestival u.a.) gerühmt und geliebt wird, wenn sich Appenzeller und Mongolen, Toggenburger und Pigmäen, Muotataler und Zürcherinnen musikalisch verstehen und «enharmonieren», das ereignet sich auf wunderbare Weise auch und vielleicht sogar mit grösserem Gewicht zwischen dem Naturmenschen auf der Alp und Naturmenschen in der Stadt, denn den göttlichen (natürlichen) Klang tragen wir alle in uns, er ist unser Lebenselixier. Naturmenschen sind wir alle, an jedem Ort und zu jeder Zeit in dieser Welt. Deshalb «gehört» das Wundergut Naturharmonik und Naturmelodik nicht irgend einer realen Volksgruppe, weder im Toggenburg noch in der Steiermark, weder auf Sardinien noch im Balkan, es gehört ganz einfach niemandem und Allen, wie das Naturgsgut Atemluft niemand besitzen kann.

Aber den Alpmenschen schulden wir Stadtmenschen grossen Dank dafür, dass sie – je auf ihre Weise – das Kulturgut Naturjodeln bewahrt haben.

 

27.9.18 / 17:53

Ewig gültig

Vor drei Jahren ist ein Zäuerli des Jodelclubs Herisau-Säge in der Kirche Herisau mit diesen Worten kommentiert worden: «Hüehnerhuut...Träne i de Auge...eifach würkli wunderbar! Ich wett stundelang eifach dasitze und zuelose. Sones Zäuerli berüehrt öppis ganz tüüf drin wie suscht fascht nüt» (Natascha Müller/Youtube). Treffender, schöner kann man kaum sagen, was Naturjodeln ist und bewirkt. Und das Schönste daran: Es ist ewig gültig, also auch noch nach drei Jahren.

 

20.9.18 / 7:44

Ein Freudentag für Naturjodel-Philosophen

Kein Geringerer als Platon (Politeia, VI. Buch) hat philosophisch definiert, was Naturjodeln eigentlich ist: Der Philosoph und Platon-Fan Georg Picht (1913–1982) umschreibt Platons Erkenntnis in seinem Buch «Der Begriff der Natur und seine Geschichte» (S. 365) in diesen Worten: «Der 'innere Mensch' ist nach der Lehre, die Platon im VI. Buch entwickelt, jener Menscch, der die Bewegungsabläufe der Gestirne in seiner Seele nach dem Vorbild der Gestirne [Weltharmonik] zu ordnen vermag. Die Kraft, die das leistet, ist nach Platon die Musik. Durch die Musik wird die Seele des Menschen in die Harmonie [Zusammenklang] des Kosmos entrückt...»

 

29.6.18 / 19:13

Das Naturjodeln der Natur

Vor meinem Fenster die Föhre. Dahinter die Birke. Rechts von ihnen der Apfelbaum.  Und allen gemeinsam der Wind. Die Föhrenzweige bewegen sich nach ihrer Art – ruhig und ohne Heftigkeit. Die Birkenzweige zappeln nach ihrer Art. Und beide werden bewegt vom einen Wind, der für alle der gleiche ist. Die Birke singt die Melodie – «Vorzaure!» Und die Föhre singt den Bordun und bestimmt damit die Harmonie. Die Natur singt Naturjodeln. Das ist wunderschön. Im Naturjodelkonzert vor meinem Fenster singt auch der Apfelbaum mit – so etwas wie das «Drifahre», die zweite Melodiestimme. Und natürlich singt die Föhre nicht nur einen Ton – sie ist der gesamte Begleitchor – das ist Naturjodeln – sichtbar vor meinem Fenster. Und «hörbar», weil die Augen ja auch Ohren haben.

Und wenn der Wind den Atem anhält, ist es still. Aber auch die Stille ist Klang, sie ist dessen Ursprung.

Die Natur jodelt
Im Vordergrund die Föhre, dahinter links die Birke, rechts der Apfelbaum. Leider nicht zu sehen ist die «Hauptperson», der Wind.

 

30.3.18 / 7:50

Singen wie Gott

Am echtesten, naturechtesten und lebenswirklich religiös oder spirituell ist der Mensch, wenn er singt, ohne zu wissen, dass er, wenn er singt, «ist wie Gott». Oder hat jemand je gehört, dass das neugeborene Kind erst ein Glaubensbekenntnis aufsagen musste, bevor es seinen aller ersten Schrei singen durfte.

 

19.3.18 / 13:08

Unser Geschenk an Himmel und Erde

Marius Schneider, mein Lieblings-Musikethnologe, spricht in seinen Werken nicht direkt vom Naturjodeln, wohl aber vom «Vokal-» und vom «Lobgesang», wozu sich auch unser Naturjodeln zählen darf, auch und gerade dann, wenn der einzelne Jodler diese «kosmische» oder «religiöse» Dimension seines Singens nicht kennt; das Loben nach oben und wahrscheinlich auch nach unten an die «Mutter Erde» ereignet sich sozusagen von selber, von «Natur wegen».

Zum Lobsingen habe ich diesen sehr bemerkenswerten Satz von Marius Schneider gefunden: «Lobsingen heisst nach Auffassung der Alten ein Doppeltes: eine klangliche Darbringung an Gott und zugleich die dankbare Bejahung der ganzen Schöpfung und damit auch der eigenen Existenz. [...] Lobsingen bedeutet deshalb auch, seine eigene innerste Natur in Einklang mit dem Schöpfungswort [Schöpfungsklang] zu bringen, aus dem alle Kreaturen hervorgegangen sind...»

 

13.3.18 / 22:13

S' Bloch

Heute habe ich den grossartigen Dokfilm «s' Bloch» von Thomas Rickenmann gesehen. Und ich habe dabei sehr meine «Herzensohren» gespitzt. Die «Zäuerli» in diesem Film klingen so wunderbar natürlich, wie alles, was von Herzen kommt. Was ein zwölfjähriger Bueb aus dem Appenzeller Hinterland empfindet, wenn er mit seinen Bloch-Kollegen «zauret», ist in Worten wohl nicht fassbar. Aber an seinem Gesicht ist es ablesbar – ganz leicht. www.blochfilm.ch

 

8.3.18 / 21:43

Das Liebeslied von Erde+Himmel

Im Naturjodeln erklingt das ewige Liebeslied von Erde und Himmel, Himmel und Erde.

Die Erde streckt in Liebessehnsucht ihre Arme zum Himmel auf, darum gibt es Berge. Der Himmel antwortet mit derselben Liebessehnsucht und streckt seine Arme zur Erde aus. Da wurden die Täler. Und wer das spürt – auch und gerade ohne es zu wissen – stimmt ihr Liebeslied an.

 

3.3.18 / 8:33

Klangvolles Menschenverständnis

Es könnte sein, dass die Erfahrungen des Naturjodelns in und an uns ein Schlüssel sind, der uns die Tür zu einem klangvollen (harmonikalen) Menschenerständnis öffnet.

 

 

 

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Die Muschel am Ohr entspricht der Muschel IM Ohr (Foto: Thierry Bösiger/Imagepoint).
11.07.2019